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Aktuelles zum Thema Rudersport.

Willkommen in Duisburg!

Die erste Regatta auf dem Wasser in der laufenden Saison sind die Europameisterschaften der U23 in Duisburg. Für die Premiere unter Pandemiebedingungen gilt: Regattastab und FISA mussten ein coronakonformes Regattamanagement entwickeln.

Die Regattastrecke in Duisburg-Wedau hat schon viele internationale Veranstaltungen gesehen: Weltmeisterschaften, Junioren-WM und Weltcups fanden auf dem Baggersee im Duisburger Süden statt. Doch mit dem Coronavirus im Lande wird mit der Europameisterschaft für die U23 am 5./6. September absolutes Neuland betreten. Das zeigte sich bereits beim Treffen des Regattastabs mit den Delegierten der FISA: Mediziner Jürgen Steinacker und der technische Delegierte Nikola Stojić wurden zu ihren jeweiligen Themengebieten per Internet und Beamer zugeschaltet. Event-Manager Prateek Gumbar nebst Praktikantin durfte allerdings aus Lausanne anreisen – mit dem Zug statt mit dem Flieger.

In den ersten Stunden des „Onsite-Visit“ überzeugte vor allem Regattabahnwart Mirko Günther die Gäste von der Tauglichkeit der Sportanlage auch in Zeiten des aktiven Virus. Sämtliche Funktionsgebäude, vor wenigen Jahren erst komplett um- und ausgebaut, sind seither nicht nur barrierefrei, sondern nun auch in einem Einbahnstraßen-System zu benutzen, sodass von der Umkleide bis zur Dusche und an der Waage die Athleten sich nicht begegnen müssen. Da außerdem genügend Sanitärräume und Duschplätze vorhanden und mit Abstandhaltern eingerichtet sind, können die Sportler sogar am Regattagelände duschen. Die Bootslagerung wird unter anderem in den Hallen des Leistungszentrums stattfinden, insgesamt acht Hallen stehen für die Mittel- und Großboote zur Verfügung. Die Lagerung der Kleinboote erfolgt auf der großen Wiese hinter der Tribüne, dort kann am Parallelkanal auch eingesetzt werden. Somit wird die Fläche für die Sportler entzerrt und der Abstand gewährleistet.

Weil die Regatta-Anlage im Zielbereich komplett eingezäunt ist und die Außenbereiche über leicht zu sperrende Brücken erreichbar sind, ist es kein Problem, das Event entsprechend abzugrenzen. Mit lediglich drei Eingängen, einer davon für die Athleten praktisch direkt an der Shuttle-Haltestelle gelegen, wird die Kontrolle erleichtert. Striktes Tragen von Mund- und Nasenschutz soll zusätzlich auf dem Gelände Vorschrift sein, lediglich in den Booten und – mit entsprechendem Abstand zu den anderen Teams – beim Foto nach der Siegerehrung dürfen die Masken abgenommen werden.

Praktisch sind die beiden großen carportähnlichen Überdachungen bei der Bootslagerung hinter dem Ziel, denn dort kann, mit einem Zaun abgegrenzt, der Aufwärmbereich mit Ergometern entstehen. Eine runde Sache also, sofern alle Delegationen der Teilnehmerländer die Vorab-Checklisten einsenden und ohne erkrankte Mitglieder anreisen.
Auch die Verpflegung vor Ort war Thema bei der Besichtigung. Es wurde anfangs mit einer drei-  bis vierstündigen Mittagsbetreuung gerechnet, um alle Sportler, Funktionären und das Team zu versorgen. Die Zeltkapazität des Catering wird nun noch einmal deutlich erhöht, um nicht zu enge Zeiträume zu schaffen und keine Hektik aufkommen zu lassen. Auch der Catering-Bereich befindet sich natürlich innerhalb der gesperrten Regattazone.

Am Mittag stand die Streckenbesichtigung an. Trotz der langen Stillstandsphase – immerhin hat nun bereits fast ein Jahr lang keine Regatta mehr stattgefunden – funktionierte alles wie gewohnt. Wedau ist vorbereitet, sogar die Startschuhe der Ruder-Startanlage auf 2.000 Metern, zuletzt bei der Regatta im Mai 2019 benutzt, fluppten auf Knopfdruck ins Wasser, als würden sie täglich gewartet. Mirko Günther und seine Mitarbeiter werden sie für den Seitenrichter nur noch einmal putzen müssen, denn sie sind etwas trüb geworden, sodass man die Bugbälle nicht mehr sieht.
Einzige Sorge der Weltruder-Experten galt dem Wellenschlag durch das mitfahrende Kameraboot, denn bei den Vorrennen wird es nur fünf Minuten Rennabstand geben und damit immer zwei Rennen auf der Strecke. Daher wird die Kamerabegleitung der gesamten Rennen mit dem Motorboot nur in den Finals möglich sein. Das einzige Manko der Strecke ist nämlich die fehlende Möglichkeit zur Reportage in Bild und Ton aus einem mitfahrenden Auto. Dazu gibt es auf den ersten 1.000 Metern zu viele Bäume und Büsche und eine große Zahl an Fußgängern, die auf dem Weg entlang des Sees flanieren möchten.

Die Zuschauer müssen auf nichts verzichten, außer auf das Zusehen vor Ort. Vorsorglich (und auch zum Gucken für die gerade nicht rudernden Athleten) werden drei Großbildwände am Ziel und auf dem Sattelplatz installiert, denn vielleicht wird bis zum Event ja doch noch eine Möglichkeit eröffnet, Publikum auf die Tribüne zu lassen. „Zurzeit dürfen wir aber nur 300 nicht-aktive Teilnehmer an die Bahn lassen“, erklärt der sportliche Leiter Tobias Weysters, „und die sind eben durch Personal, Betreuer, Trainer, Physiotherapeuten und Offizielle ausgeschöpft.“ Indes: Im Internet kann nach Lust und Laune die Wettkämpfe verfolgen. Der Internet-Stream auf Youtube wird von der ersten bis zur letzten Rennminute eines jeden Tages auf Sendung sein. Und fehlendes Mitfahren der Kamera in den Vorrennen wird einfach durch zusätzliche Kameraperspektiven kompensiert.
Sollte es doch noch möglich werden, weitere Gäste zu empfangen, wird ein Ticketing mit Anmeldung dafür sorgen, dass jeder seinen Platz findet. Die Organisatoren um Regattaleiter Thomas Küpper hatten ersatzweise geplant, anstelle der fast 2.300 Plätze auf den Tribünen Zuschauern die Möglichkeit zu geben, am Rand der Bahn den Reportagen quasi im öffentlichen Raum zu lauschen. Dazu sollten Lautsprecher ab der 500-m-Marke aufgestellt warden. Dies wurde leider vom Ordnungsamt der Stadt unterbunden – damit dadurch nicht übertrieben große Menschenmassen angelockt werden. Schade, aber im Sinn der Krise durchaus verständlich.

Deshalb dürfen die Teams also selbst für Stimmung sorgen. Damit das gut funktioniert, wird analog zur Ruder-Bundesliga 2019 das komplette Teamlager aus Zelten vor der Tribüne auf der Wiese stehen und damit auch die Möglichkeit bestehen, auf der Tribüne Platz zu nehmen und bei der Siegerehrung direkt dabei zu sein. Es wird somit keine echte „Geister-WM“, denn in der Arena am Duisburger Ziel können durch die Bauten, die den Schall reflektieren, auch 100 Menschen locker wie 400 klingen. Die Sportler wird es freuen, bekommen sie doch im Ziel und bei der Meisterfeier Applaus, der nicht nur aus dem Lautsprecher schallt.

Wie funktioniert jedoch eine coronakonforme Siegerehrung? Auch darüber zerbrachen sich die Verantwortlichen kräftig die Köpfe. Der erste Plan, die Medaillisten ihre Siegerzeichen selbst vom Tablett nehmen zu lassen, wurde nach kurzer Diskussion zum Glück verworfen, denn, so die Argumentation des Sports Presentation Teams und von Event-Manager Gumbar, Medaillen werden nicht übernommen, sondern übergeben. Dafür wird dies nun einfach ein bisschen anders als sonst, indem ein prominenter Gast (anstelle zweier Personen) Medaillen und Blumen komplett selbst übergibt und dabei die Medaille am Band aushändigt, statt sie um den Hals hängen – mit Einweghandschuhen, die übrigens auch von denen getragen werden, die bei der Ehrung die Tabletts vorbereiten. Mit dieser Regelung konnten auch die Gesundheitssxperten gut leben, die Feierlichkeit leidet nicht unter der Selbstbedienung und Ehrengäste und Sponsoren kommen zu ihrem lang erwarteten Einsatz.

Was noch fehlt, sind die endgültigen Meldungen. Die Hotels sind bereit, die deutsche Mannschaft präsentiert sich als guter Gastgeber und meldet alle Bootsklassen. Das war für Bundestrainerin Brigitte Bielig besonders wichtig. „Natürlich wollen wir dem gesamten Kader die Möglichkeit zur Regatta bieten. Wir möchten aber auch nicht, dass Rennen ausfallen, wenn nur eine andere Nation dafür meldet“, sagt sie im Interview. Damit wird es wahrscheinlich ein volles Programm geben, was sich für die bisher einzige internationale Ruderveranstaltung 2020 auf dem Wasser auch geziemt. Die deutsche Mannschaft wird übrigens eine Woche vorher bereits ihre letzten Vorbereitungseinheiten auf dem nahen Baldeneysee in Essen absolvieren und erst am Tag vor dem Event umziehen.

Bis dahin ist dann alles eingerichtet und vorbereitet. Das Organisationsteam ist bereit und hat gerade in den letzten sechs Monaten noch einmal alles gegeben, um nach einer eigentlich perfekt vorbereiteten EM alles auf die neue Situation umzustricken. Jetzt gilt es nur noch, die Daumen fest für den Erfolg des Fleißes zu drücken, denn einzig eine nach den Ferienrückreisen erneute Erhöhung der Infektionszahlen mit entsprechenden Einschränkungen kann an dieser Veranstaltung noch etwas ändern oder sie im schlimmsten Fall verhindern.

MICHAEL HEIN