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Buchverlosung: "Solo auf See"

Interview mit der Schweizerin Gabi Schenkel, die alleine über den Atlantik ruderte und dies in einem Buch verarbeitete

Wie kamst du auf die Idee, bei der Atlantic Challenge mitzumachen? War das Rudern für dich nicht ein komplett neuer Sport?

Ich habe durch eine Gratiszeitung, die im Zug auf dem Weg zur Arbeit rumlag, von der Challenge erfahren. Nach etwas Recherche fand ich die Idee, mit dem Ruderboot den Atlantik zu überqueren, cool. Dass ich dafür das Rudern noch lernen musste, war mir bewusst, aber kein Hindernis, ich sah das Erlebnis im Vordergrund, nicht die physische Arbeit.

 

Warum hast du dich dazu entschieden, die Challenge allein zu meistern?

Nach erfolglosem Suchen nach ein bis drei Teammitgliedern wachte ich einfach eines Morgens auf und wusste, dass ich es allein in Angriff nehmen werde. Ein Warum gibt es nicht. Es war ein Bauchgefühl.

 

Du bist auf See sehr krank geworden und hast dir auch eine Rippe geprellt. Wie hast du es geschafft, deine körperlichen Grenzen immer wieder auszureizen und zu übertreten, um weiterzumachen?

Ich wusste immer, dass ich ankommen werde, einfach nicht, wann und was ich alles erleben werde. Dass ich mit Rudern schneller vorwärtskomme als mit Sich-treiben-lassen, war pure Logik und hat mich einerseits motiviert andererseits auch den Performancedruck genommen.

 

Was hat dir in schweren Momenten Kraft gegeben und dich zum Durchhalten motiviert?

Meist war es die Musik, welche ich in schwierigen Momenten bewusst ausgewählt habe. Ich habe mich in diesen Momenten meinen Emotionen voll hingegeben und konnte mich bremsende Gedanken schnell loslassen. Wenn der Knoten einfach nicht gelöst wurde, waren oft meine Schwester und Debby vom Wetterteam mit aufmunternden Worten und Ideen da.

 

Wie hat die Nahrungsaufnahme funktioniert?

Ich habe jeden Tag einen Sack mit Snacks (Nussriegel in allen Variationen) gegessen und den über Tag hinweg eine bis vier gefriergetrocknete Mahlzeiten zu mir genommen. Mit der Seekrankheit und dem Infekt anfangs war es sehr wenig, der Appetit hat sich aber nach etwa zwei Dritteln des Weges gesteigert, und ich habe auch wieder etwas an Gewicht zugelegt bis zum Ziel.

Du musstest auch in den Atlantik springen und dein Boot von unten putzen. War das gefährlich?

Es können sich natürlich neugierige Fische dem Boot nähern, aber eine wirkliche Gefahr besteht meist nicht. Ich habe nur ganz kleine Fische gesehen beim Putzen und regelmäßig 360 Grad Kontrollblicke um mich geworfen. Falls ich einen großen Fisch gesehen hätte, wäre mir genügend Zeit geblieben, um wieder aufs Boot zu klettern.

 

Wie hast du die Situation wahrgenommen, als du bei starkem Wellengang gekentert bist?

Es ging so schnell, und die Welle von rechts kam so schnell, dass die Gedanken augenblicklich auf Logik gestellt wurden. Ich habe, beinahe emotionslos, festgestellt, dass ich jetzt dann gleich vom Boot geworfen würde und nichts tun kann, und diese Tatsache zu ändern. Und dann war das Denken nicht mehr aktiv, und ich habe mich der Situation hingegeben. Unter Wasser habe ich nur gespürt, dass „alles gut gehen wird“, erklären kann ich es nicht. Weder die Nässe des Wassers noch, dass ich unter Wasser ja nicht atmen kann, habe ich wahrgenommen. Das nächste, was ich wieder mitgeschnitten habe, war, dass ich mich im Wasser, gleich neben meinem Boot befinde. Und dann, dass im Wasser wohl Fische sind und ich deshalb wohl besser sofort wieder an Bord klettern sollte.

 

Erzähl uns von deinen drei schlimmsten Erlebnissen auf See.

Im Nachhinein sehe ich in jedem schlimmen Erlebnis etwas Positives. Sehr herausfordernd waren bestimmt der erste Ruderbruch nach nur fünf Stunden auf See und als ich ein paar Hundert Seemeilen vor der Ankunft durch eine starke Strömung viel zu weit in den Süden getrieben wurde. Da habe ich so richtig gespürt, dass ich ganz allein da draußen bin. Weiter schwierig war der Moment, als ich erfahren habe, dass die Verhältnisse noch einmal so sein werden wie bei meiner Rolle. Das Kopfkino war sehr lähmend, und ich habe viel Energie und Zeit gebraucht, wieder das volle Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten aufzubauen.

 

Und was waren die drei schönsten Erlebnisse?

Der Moment, als, nach meinem Ausflug in den Süden, die Supportyacht kurz vorbeikam, um Fotos zu machen und mir Hallo zu sagen. Nach 65 Tagen wieder mit Menschen sprechen zu können und sie zu sehen, war unbeschreiblich schön. Dass gleichzeitig noch eine Walfamilie mit und um mich schwamm, war wie das Sahnehäubchen auf dem Dessert. Ein weiteres schönes Erlebnis war der Moment, in dem ich realisiert habe, dass das Meer und ich Freunde geworden sind und ich mit meinem ganzen Sein kapiert habe, dass ich Teil des Ganzen bin.

 

Hast du zwischendurch übers Abbrechen nachgedacht?

Nein, nie.

 

Wie fühlt es sich an, für so lange Zeit mit den eigenen Gedanken allein zu sein?

Es ist eine Herausforderung und man merkt manchmal nicht mehr, ob man mit sich selbst laut spricht oder „nur“ denkt. Und ohne die vielen Ablenkungen, die mich im Alltag umgeben, habe ich erst richtig realisiert, wie oft ich mich selbst kleingeredet oder kleingedacht habe. Mit so viel Zeit und Möglichkeiten habe ich gelernt, diese Aussagen über mich selbst neu zu sortieren und wohlwollender mit mir umzugehen.

 

Was hast du auf dem Meer über dich selbst gelernt?

Sehr viel. Ich habe realisiert, wie oft mein Verhalten vor allem der Harmonie untergeordnet war, was sich dann immer in Ausbrüchen und nicht so netten Worten entladen hat. Dabei war mein Gegenüber nicht „schuld“ an der Situation, sondern ich hätte schon vorher klar meine Bedürfnisse mitteilen können, habe dies aber stets unterlassen. Ich versuche, dies nun täglich anders umzusetzen und klar zu kommunizieren, wenn ich mich nicht wohlfühle. Erstaunlicherweise oder vielleicht auch logisch, dass die Harmonie so fast natürlich entsteht.

 

Im Buch hast du Flashbacks, du erinnerst dich an schwere Zeiten: Mobbing in der Schule, schmerzhafte Beziehungen zum Beispiel …

Meine Vergangenheit wird immer Teil von mir sein. Ich denke, ich konnte durch die Zeit auf See und das nachträglich unzählige Nachbearbeiten des Videomaterials meiner täglichen Erzählungen den schweren Teil loslassen. Was im Leben passiert, prägt einen, und ich werde nichts vergessen, aber meine Reaktion auf diese schweren Zeiten ist anders. Die Trauer, die Verletzung, das Negative konnten mit Geduld und Hingabe transformiert und so einen Nutzen für die Zukunft geschaffen werden. Das Leben hält bestimmt noch weitere Herausforderungen für mich bereit.

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