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Aktuelles zum Thema Rudersport.

Mit Ruderwettkämpfen zu mehr Mitgliedern?

Professor Dr. Volker Nolte sieht in seiner Analyse eine gute Chance für die Vereine, mit attraktiven Wettkampfformen Mitglieder zu gewinnen und zu binden. Auf internationaler Ebene verlieren die klassischen Wettkampfformate allerdings an Akzeptanz und Erfolg.

Mir bleibt stets eine interessante Beobachtung in Erinnerung, als meine beiden Kinder zwei bzw. vier Jahre jung waren. Sie spielten zusammen und kamen ohne Einfluss von außen auf die Idee, Wettrennen zu veranstalten. Sie benutzten dazu unseren ca. 10 m langen Hausflur und hatten ihre helle Freude, was an dem lauten Geplapper leicht abzulesen war. Gewinnen und Einsatzfreude wurden von beiden herausgestellt und lautstark gefeiert. Der Freude waren allerdings Grenzen gesetzt, da mein zwei Jahre älterer Sohn viel zu oft gewann und meine Tochter sodann nicht mehr zum Rennen antreten wollte. Daraufhin vereinbarten die beiden, wiederum ohne äußerlichen Einfluss, dass das jüngere Kind einen Vorsprung bekam, was dem Treiben neuen Aufschwung verlieh. Die Größe des Vorsprungs war natürlich Grund zu heftigen Diskussionen. Allerdings waren beide darauf bedacht, dass zum einen der Vorsprung so gewählt wurde, dass das Endergebnis des Rennens offener wurde, und zum anderen, dass ein einmal ausgehandelter Startunterschied auch eingehalten wurde.

Natürlichkeit des Wettkampfes

Dieses Beispiel veranschaulicht gut, dass Wettkämpfe, also das Vergleichen von erbrachten Leistungen, von den Menschen fast schon natürlich angestrebt werden und unter bestimmten Bedingungen spannend und anziehend sind. Voraussetzung: Das Ziel des Vergleiches als auch das Anstreben dieses Ziels müssen interessant sein. Die erbrachte Leistung gibt einen vielfältigen Aufschluss über das Individuum, welches Niveau an Kraft, Ausdauer oder anderer physischer Fähigkeiten erreicht wurde, welche Verbesserungen erzielt oder welche Hindernisse überwunden wurden. Der durchlaufene Prozess in Vorbereitung zu dem Wettkampf kann in sich ein befriedigendes Erlebnis für den Menschen sein, in dem viele Erfahrungen gesammelt werden können. Ein Wettkampf behält oder verstärkt sogar seine Anziehungskraft, solange die Regeln klar, seine Ausführung fair und der Ausgang nicht vorhersehbar ist. Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass dem Wettkampf großes Interesse entgegengebracht wird.

Diesem generellen Interesse am Wettkampf steht im Rudern ein gewisses Hindernis entgegen, da man sich dafür einem Verein anschließen muss. Das ist Segen und Fluch zugleich. Zum einen garantiert es den Athleten Zugang zu Ausbildungspersonal, Material und Versicherungsschutz und dem Verein den Zustrom an neuen Mitgliedern, da es ausgeschlossen ist, ohne Vereinsanschluss rudern wettkampfmäßig zu betreiben. Zum anderen bedarf es eben dieser Festlegung, was einige Menschen wohl als Einschränkung betrachten. An Volksläufen etwa kann jeder starten, ohne an einen Verein gebunden zu sein. Ganz zu schweigen von den vielen Möglichkeiten der virtuellen Wettkämpfe, die im Internet angeboten werden, an denen ein Individuum ganz spontan und ohne weitere Verpflichtungen teilnehmen kann.

Wettkämpfe im Rudern sind an Vereine gebunden

Hier liegt eine der Herausforderungen an unseren Sport. Rudervereine müssen nicht nur das ursprüngliche Interesse eines potentiellen, neuen Mitglieds wecken, indem sie auf den Sport und sich selbst aufmerksam machen. Sie müssen darüber hinaus Angebote machen, die so interessant sind, dass sich Sportler für diesen Verein festlegen und ihm die Stange halten. Solche Angebote können ganz unterschiedlicher Natur sein und müssen wiederum individuell zugeschnitten werden. Für die einen mag es ansprechend sein zu wissen, dass Trainingsstunden regelmäßig stattfinden, dass die Sicherheit bei der Sportausführung gewährleistet ist oder dass geschultes Trainerpersonal zur Verfügung steht. Für andere ist das soziale Umfeld von größerer Bedeutung. Wieder andere werden von sportlichen Erfolgen des Vereins angezogen, an denen sie gerne teilhaben wollen.

Haben sich nun wettkampfinteressierte Athleten einem Ruderverein angeschlossen, sind wiederum ganz unterschiedliche Leistungsziele möglich. Je nach Alter, vorhandener Zeit, die für Training aufgewandt werden kann, und Ehrgeiz werden Wettkämpfe angestrebt, die von regionalen über nationalen bis hin zu internationalen Regatten reichen. Regionale Regatten können ganz unterschiedliche Rennen anbieten (kürzere oder längere Strecken, Mixed Boote, verschiedene Altersklassen etc.). Ihre Organisation ist an weniger Restriktionen gebunden. Demgegenüber sind internationale Regatten stark reglementiert und müssen weitreichende Standards erfüllen. Dementsprechend unterscheiden sich die Regatten auch deutlich in dem notwendigen Trainingsaufwand, der ein erfolgreiches Abschneiden ermöglicht, dem erforderlichen Zeitaufwand, der für eine Teilnahme an einer solchen Veranstaltung aufzubringen ist und natürlich den damit zusammenhängenden Kosten.

Die allermeisten Vereinsmitglieder beschränken sich auf die Teilnahme an regionalen Regatten und eine kleinere Gruppe dieser Athleten macht dann den Schritt zu nationalen Regatten, wenn es sich absehen lässt, dass die Qualität der Mannschaften dem gesteigerten Leistungsniveau gerecht werden kann. Ruderverbände sind gut beraten, diese Arten von Regatten zu fördern und zu unterstützen, da diese enorm wichtig sind, um den Bedürfnissen der Vereine nachzukommen.

Wettkämpfe an die Bedürfnisse der Mitglieder anpassen

Es ist wichtig, dass Angebote, wie sie auch im Deutschen Ruderverband bestehen, an neue Entwicklungen angepasst und wenn möglich sogar weitere Wettkampfangebote angeschoben und gefördert werden. Der Trend nach verschiedenen Streckenlängen sowie die Erweiterung des Rennangebots durch altersbedingte oder geschlechtsbezogene Mixed-Rennen scheint bei vielen Ruderern anzukommen. All diese Entwicklungen beflügeln offenbar den Rudersport in Deutschland, wenn man die steigenden Mitgliederzahlen betrachtet. Andere Verbände, wie zum Beispiel der Kanadische Ruderverband, tun sich da wesentlich schwerer.

Hochleistungssport koppelt sich von Vereinen ab

Problematischer ist der Hochleistungssport zu beurteilen, der sich auf internationale Regatten vorbereitet. Durch das erhöhte Anspruchsniveau ist es in den letzten Jahrzehnten zu einer Professionalisierung in diesem Bereich gekommen, die eine Entfernung vom Vereinsrudern mit sich gebracht hat. Die vermeintlich erforderlichen Trainingsumfänge, Spezialisierung und langfristige Mannschaftszusammenfassung hat dazu geführt, dass sich eine eigenständige Ruderwelt gebildet hat, die die Vereine eigentlich nur noch dazu benötigt, um Ausnahmeathleten die ersten Schritte im Rudern beizubringen, um sie dann ihren Zentren zuzuführen. Die einseitige und erfolgsabhängige finanzielle Förderung der Hochleistungsruderer und Trainingszentren durch den Staat sowie Organisationen wie die Sporthilfe oder das Nationale Olympische Komitee hat diese Abkopplung von den Vereinen noch weiter gefestigt.

Diese Entwicklung des Hochleistungssports wurde eingeleitet und damit begründet, den Anschluss an das steigende internationale Leistungsniveau zu halten. Allerdings zeigen die Erfolgsergebnisse der letzten Jahre, dass dieses Konzept einer Weiterentwicklung bedarf. Nicht nur dass das Verhältnis von Aufwand und Erfolg oftmals nicht im Zusammenhang steht, Rudern läuft auch Gefahr, dass das allgemeine Interesse in seine internationalen Wettkämpfe schwindet. Kleinere Ruderverbände wie Griechenland, Irland oder Kroatien haben bei den diesjährigen Olympischen Spielen gezeigt, dass mit weit weniger Aufwand Goldmedaillen gewonnen werden können, was Rudergroßmächten wie Deutschland oder Großbritannien nicht gelang, und World Cup Rennen werden uninteressant, wenn Bootsgattungen ausfallen oder keine Vorläufe notwendig sind, da Meldungen fehlen.

Neue Formate ausprobieren

Der internationale Ruderverband World Rowing hat über Jahre einige Versuche unternommen, Rudern international attraktiver zu gestalten, allerdings mit eingeschränktem Erfolg. Es scheint an Mut und Visionen zu mangeln, wenn zum Beispiel in scheinbar vorauseilendem Gehorsam zum IOC das Leichtgewichtsrudern abgeschafft wird, das vor Jahren nicht nur als Garant für den Verbleib des Ruderns als Olympischer Sport angesehen wurde, sondern auch stets die größten Meldefelder und spannendsten Rennen geliefert hat. World Rowing sucht das Heil in Coastal Rowing, vermeidet aber ernsthafte Versuche mit Mehrfachstarts von Athleten, zusätzlichen Streckenlängen oder gemischten Bootsgattungen. Vielleicht wäre es auch einen Versuch wert, das Ruderjahr in drei Abschnitte zu teilen: drei Monate Kurzstrecken-Rennen, drei Monate 2.000 m Rennen und drei Monate Langstrecken-Rennen. Dies könnte auf regionaler, nationaler wie auch internationaler Ebene erfolgen, wobei sich Mannschaften von der regionalen zur internationalen Ebene bewähren könnten.

 

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