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Aktuelles zum Thema Rudersport.

„Wir müssen uns auf eine Struktur- und Kulturreise Begeben“

Der neugewählte DRV-Vorsitzende Moritz Petri nimmt Stellung zu den Ergebnissen des Rudertags und zum Rücktritt des Cheftrainers Christian Felkel.

Herzlichen Glückwunsch zur Wahl des 1. Vorsitzenden, Herr Petri. Sind Sie auch mit den weiteren Ergebnissen des Rudertags zufrieden?

Der Rudertag war wieder einmal eine Überraschung für mich und ist weder bei den Wahlen noch bei den Anträgen zu den Satzungsänderungen so gelaufen wie ich es erwartet hatte.

 

Die Anträge des  DRV-Präsidiums sind doch mit klarer Mehrheit durchgegangen.

Ja, und darüber freue ich mich. In den Regionalkonferenzen zuvor gab es immer nur eine Zustimmung von ca. 50 Prozent, sodass ich nicht sicher war, ob wir auf dem Rudertag eine satzungsändernde Zweidrittelmehrheit bekommen. Meine Demut vor der Eigenständigkeit des Ruderparlaments ist eindeutig gewachsen.

 

Auch die Position des Sportdirektors wurde eindeutig gestärkt. Ist Mario Woldt, der als Person zuvor sehr umstritten war, jetzt der neue starke Mann?

Ich habe mir sehr gewünscht, dass die Position des Sportdirektors gestärkt wird unabhängig davon, wer die Position besetzt. Und nun ist es auch so gekommen. Ich interpretiere meine Wahl so, dass ich das Mandat des Rudertags erhalten habe, dass wir binnen Jahresfrist die von mir vorgeschlagene Strukturreform umsetzen.

 

Überraschend war die Nichtwahl des bisherigen Finanzvorstands Rolf Warnke. Auch für Sie?

Hier wird viel kolportiert und spekuliert, bis hin, dass ich dies von langer Hand geplant hätte. Wäre dies so, hätten wir Rolf Warnke sicherlich nicht nach dem Rücktritt von Dag Danzglock kommissarisch in den Vorstand geholt. Nein, ich hatte das nicht erwartet. Ich hatte unmittelbar vor dem Rudertag von verschiedenen Seiten – Ressort, Schiedsrichterszene, Regelkommission, Ländervertreter  –  Unmut über den Kandidaten vernommen. Aber dass eine Mehrheit ihn nicht gewollt und nicht gewählt hat, damit habe ich nicht gerechnet. Ich danke Rolf für alles, was er für den DRV geleistet hat und hoffe, dass er uns an der einen oder anderen Stelle erhalten bleibt.

 

Künftig  soll es einen vierköpfigen hauptamtlichen Vorstand für die Bereiche Administration, Leistungssport, Breitensport und Jugend geben. Passt da die aktuelle Ressortverteilung noch, die anders zugeschnitten ist? Oder braucht es nicht auf der Seite des Ehrenamts entsprechende Ressorts?

Das ist genau die Diskussion, die wir führen müssen. Ursprünglich habe ich an ein fünfköpfiges Aufsichtsgremium gedacht, einen Präsidenten ohne Ressort und eine Widerspiegelung der jeweiligen Ressorts, also insgesamt fünf Personen. So organisiert sich auch der DOSB, aber dort hat man festgestellt, dass diese Konstruktion ein großes Manko hat, weil sich die aufsichtsführenden Ehrenamtler aufgrund ihrer Ressortzuständigkeit dem Hauptamt gegenüber als übergeordnet betrachten, weil sie gewählte Vertreter sind. Nach den negativen Erfahrungen des DOSB sollten wir darüber nachdenken, ob wir uns nicht anders organisieren.

Wie ließe sich denn eine bessere Entsprechung erreichen?

Das ist ein offener Prozess. Eine Option wäre, ein Aufsichtsgremium von fünf Personen zu schaffen, die sämtlich keine Ressortzuständigkeit haben, und man installiert darunter Präsidialausschüsse für Leistungssport, Breitensport, Wanderrudern usw., die das Aufsichtsgremium beraten. Damit wäre einiges entzerrt.


 

Wir beraten also nicht nur über eine neue Struktur für das Hauptamt, sondern auch über eine Neuorganisation des DRV-Ehrenamts?

Auf jeden Fall. Nach diesem Rudertag ist die hauptamtliche Struktur eigentlich abgesichert, da scheint die Mehrheit dahinterzustehen. Die Entwicklung neuer Strukturen können wir aber nicht abkoppeln von einer Werte- und Kulturdiskussion. Wir müssen unser Selbstverständnis und unsere Aufgaben als Verband neu bestimmen. Die neue Struktur, wie wir uns schaffen, wird nur funktionieren, wenn wir auch unseren Umgang miteinander und unser Selbstverständnis auf den Prüfstand stellen. Wir scheitern, wenn wir uns ständig selbst zerfleischen oder dem Hauptamt zeigen wollen, wo es langgeht. Auf der anderen Seite kann das Hauptamt das Ehrenamt auch nicht am Ring durch die Manege führen. Im Idealfall herrscht ein Gleichgewicht.

 

Nun ist das aktuelle Gleichgewicht schwer gestört durch den Rücktritt des Leitenden Bundestrainers Christian Felkel nach nur kurzer Amtszeit. Was ist da schiefgelaufen?

Wir bedauern diesen Rücktritt sehr. Christian Felkel war ein Garant dafür, dass wir den Aufbruch auch schaffen. Hier hat jemand, der uns kennt und unsere Sprache spricht, von außen auf unsere Strukturen geschaut und uns gezeigt, wo wir vielleicht falsch abgebogen sind. Das war eine einmalige Chance. Ich habe mehrfach mit ihm gesprochen. Seine Bedenken waren nicht, dass wir den Strukturwandel nicht schaffen, sondern dass wir den von mir skizzierten Kulturwandel nicht hinbekommen. Hinzu kamen persönliche Gründe. Menschlich kann ich den Schritt von Christian Felkel nachvollziehen, als Ruderer bedauere ich ihn außerordentlich.

 

Als Advokat des reinen Leistungssports hat er die Zahl von vier Leistungszentren als zu teuer infrage gestellt. Das Geld, das woanders gebraucht wird, wird viermal ausgegeben, statt einmal dort, wo man dann auch gemeinsam trainieren kann. Hat er Recht?

Ich verstehe das voll und ganz und halte dies auch für wünschenswert, aber gleichzeitig auch für unrealistisch, das habe ich ihm auch gesagt.

 

Aber wenn man nur einen Stützpunkt will, dann muss man drei dichtmachen, das ist doch Mathematik. Der Stützpunkt Potsdam wurde doch schon aufgelöst.

Halt, der Leistungsstützpunkt Potsdam wurde nicht aufgelöst, sondern die Ruderinnen des A-Kaders trainieren jetzt gemeinsam in Berlin. Aber noch einmal: Wir werden weder Dortmund noch Berlin aufgeben, um uns alle in Ratzeburg zu versammeln. Das ist meiner Ansicht nach außerhalb der Realität. Im Endergebnis ist aber nun seit Schweinfurt auch endlich festgelegt, wer hier zukünftig das letzte Wort hat: der hauptamtliche Sportdirektor, der den Leistungssport führt.

 

Ein anderer Punkt ist die Ehrlichkeit gegenüber den Athleten: Felkel ist der Überzeugung, dass man nicht studieren oder pendeln kann und nebenher auch noch Olympiasieger werden. Wer das erzählt, würde den Athleten falsche Versprechungen machen.

Diese Ehrlichkeit ist bei den Athleten doch vorhanden. Wir erwarten von ihnen, dass sie sich 18 Monate vor den Olympischen Spielen voll und ganz auf den Leistungssport konzentrieren. Das ist nicht leicht, aber alle haben diesen Traum von Olympia, dem sie bereit sind, alles unterzuordnen. Das regeln die Sportler auch untereinander. Wenn es auf Olympia zugeht, schert keiner mehr aus.

 

Auf die Athleten wirken viele ein: die Vereine, Landestrainer, Bundestrainer, Funktionäre, das ist sehr vielstimmig und ohne klare Führung, bemängelt der Ex-Bundestrainer. Wie lässt sich da eine klare Linie erkennen?

Damit sprechen Sie wieder die kulturelle Seite an. Wir Ehrenamtler und die ganze deutsche Ruderfamilie müssen uns dringend klar darüber werden, wofür es den Ruderverband gibt und welches Ziel wir im Spitzensport verfolgen? Junioren-Medaillen, U23-Medaillen, das sind aus meiner Sicht Etappenziele. Unser oberstes Ziel heißt: olympische Medaillen, das ist der Gradmesser. An diesem Ziel sollte sich alles ausrichten – und nicht an Befindlichkeiten und Eigeninteressen. Wenn wir das schaffen, haben auch die Trainer ein gemeinsames Ziel, anders ausgedrückt: Wir müssen ein Trainerteam schaffen, das dieses oberste Ziel verfolgt, und uns allen muss klar werden, dass wir bei den Olympischen Spielen wieder mehr glänzen wollen.

 

Das wird im Ernstfall jeder unterschreiben. Aber wie der Weg dorthin aussieht, da gibt es viele unterschiedliche, ja gegensätzliche Vorstellungen, sodass am Ende trotz guten Willens nur Läusepulver herauskommt. Wie wollen Sie das verhindern?

Indem wir uns darüber klar werden. Letztlich ist es doch unwesentlich, wie viele Stützpunkte wir haben und in welchen Bundesländern diese sind. In erster Linie müssen wir uns klar darüber werden, was wir wirklich brauchen, um unseren Erfolg zu steigern. Wir müssen uns da auf eine längere Struktur- und Kulturreise begeben.

 

Mit Brigitte Bielig ist eine anerkannte und erfahrene Trainerin zur neuen Leitenden Bundestrainerin ernannt worden. Die Lücke wurde schnell geschlossen. Gleichzeitig passiert das, was immer passiert: Trainerpositionen werden neu verteilt, es findet wieder nur ein Stühlerücken statt.

In der augenblicklichen Lage war dies mit Sicherheit eine sehr gute Lösung. Wir haben einen auf drei Jahre verkürzten Olympia-
zyklus, bei dem wir keine Zeit verlieren dürfen. Ich stehe da voll hinter der Entscheidung unseres Sportdirektors Mario Woldt.

 

Bei dieser Gemengelage und weniger Zeit bis zu den nächsten Olympischen Spielen: Ist Paris 2024 schon gelaufen? Gehen die Planungen gleich auf Los Angeles 2028?

Keineswegs. Wir stehen ja nicht bei null und kennen ja bereits die Sportler weitgehend, die in Paris an den Start gehen werden. Durch das zu erwartende Qualifikationssystem von IOC und World Rowing wird es für uns wohlmöglich nicht einfacher. Meine Erwartungshaltung ist, das Paris eine Trendwende einleitet und es nicht weiter nach unten geht. Für Los Angeles erwarte ich von unserer sportlichen Leitung, dass wir wieder auf dem Erfolgspfad sind und mit oben stehen.

Das Gespräch führte Thomas Kosinski

 

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