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Leon Schandl: „Der Deutschland-Achter ist das Ziel“

Nach den Olympischen Spielen ist vor den Olympischen Spielen. Mehrere junge Athleten kämpfen darum, zukünftig im Deutschland-Achter zu sitzen. Einer von den jungen Hoffnungen ist Leon Schandl. Sein Erfolgsgeheimnis: An Rückschlägen nicht zu verzweifeln, sondern daraus zusätzliche Motivation zu gewinnen. 

Wann immer der Deutschlandachter auf dem Sea Forest Waterway in der Bucht von Tokio über das Wasser glitt, saß Leon Schandl vor dem Fernseher und fieberte mit. „Ich musste dafür zwar früh aufstehen. Aber wenn man die Leute persönlich kennt, schaut man gerne zu“, erklärt der 23-Jährige aus Ludwigsburg, der für den Bessel-Ruder-Club Minden rudert. Im März schnupperte er selber in das Team Deutschlandachter hinein. Schandl mischte als Kandidat für den Zweier gemeinsam mit Theis Hagemeister beim Trainingslager in Lago Azul mit. „Das war eine coole Erfahrung. Die Stimmung untereinander war sehr freundschaftlich“, erzählt er. „Gleichzeitig ist zu spüren, wie viel Disziplin dahintersteckt. Gerade im olympischen Jahr ist jeder motiviert, 100 Prozent zu geben. Es wurde sehr konsequent gearbeitet.“

Das Trainingslager soll erst der Anfang gewesen sein. Die A-Weltmeisterschaft 2022 in Račice u Štětí (Tschechien) ist sein großes Ziel. Langfristig träumt er sogar von den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris. Gerne würde er dann im Flaggschiff des Deutschen Ruderverbandes sitzen. Aber: „Erst einmal bin ich zufrieden, wenn ich überhaupt ein Platz in einem Boot bekomme. Der Achter ist immer das Ziel“, betont er, „denn er ist eben das schnellste Boot. Außerdem ist es total faszinierend, wenn acht Ruderer so aufeinander abgestimmt sind, dass sie genau die gleiche Arbeit verrichten. Das ist ein völlig anderes Gefühl als in den kleineren Booten.“

Leon Schandl zählt nicht zu den Ausnahme-Athleten, die bei den Junioren oder bei der U23 von Medaille zu Medaille gerudert sind. Vielmehr ist er ein Sportler, der in jungen Jahren einige Rückschläge verkraften musste, daraus aber besondere Motivation schöpfte. Im Gegensatz zu vielen anderen Ruderern im Team Deutschland-Achter nahm er nie an einer Junioren-Weltmeisterschaft teil. „Ich bin immer knapp daran vorbeigefahren. Aber ich habe mich davon nicht demotivieren lassen. Ich habe mich vielmehr darauf konzentriert, es bei der U23 noch einmal zu versuchen. Glücklicherweise hat das geklappt“, erzählt er. „Ich bin durch die Junioren-Jahre gereift und habe viel dadurch mitgenommen. Man zahlt immer Lehrgeld und versucht, die Fehler abzustellen.“

Dass er sich von Misserfolgen nicht aufhalten ließ, hängt auch mit seiner Liebe zum Rudern zusammen. Durch ein Programm in Baden-Württemberg, das Kinder an verschiedene Sportarten heranführt, lernte er einst den Rudersport kennen. „Danach habe ich meinen Eltern gesagt, dass ich im Verein rudern möchte“, erinnert er sich. Zehn Jahre ist er damals alt gewesen. Seine Faszination an dem Sport blieb bis heute unverändert. „Rudern hat einen besonderen Reiz, gerade wenn man im Team trainiert. Wenn man mit seinem Boot eins ist, fühlt sich das toll an“, sagt er und gibt sich ehrgeizig: „Man strebt immer nach neuen Zielen und will diese unbedingt erreichen.

 Foto: DRV

Foto: DRV

Nachdem die Junioren-Zeit ungekrönt blieb, war er als U23-Athlet stets bei den Weltmeisterschaften dabei. 2017 kam er allerdings noch nicht zum Zuge, weil Schandl als Ersatzmann nach Plovdiv in Bulgarien gereist war. „Ich war happy, in meinem ersten Jahr überhaupt dabei gewesen zu sein“, erzählt er. „Ich bin mit viel geringeren Zielen in das Jahr gegangen, weil in unserer Trainingsgruppe in Dortmund viele Ruderer waren, die schon viel mehr erreicht hatten. Ich war sozusagen der „No Name“ und musste mich mit Ehrgeiz und Willenskraft durchsetzen.“ Ohnehin sei die Teilnahme als Ersatzmann eine wichtige Lektion für ihn gewesen: „Man bekommt mit, wie das Trainingslager und eine Weltmeisterschaft ablaufen und wie die Atmosphäre ist. Davon habe ich im Jahr darauf profitiert.“

Gemeint war die U23-Weltmeisterschaft in Poznan (Polen), bei der Schandl im Vierer mit Steuermann saß und den 4. Platz belegte. Ein Jahr später, als die U-23 WM in Sarasota-Bradenton (USA) stattfand, gewann er gemeinsam mit Lukas Föbinger im Zweier das B-Finale. „Mein Ziel bestand primär darin, in eine olympische Bootsklasse zu gelangen. Ich war happy, dass das geklappt hat“, erzählt er. „Unser Boot lief auch relativ gut. Wir wussten, dass das Feld gut besetzt sein würde. Unser Ziel bestand einfach darin, unsere bestmöglichen Rennen abzuliefern. Das haben wir getan.“

Es folgte das Jahr 2020. Und damit eine Zeit, die aufgrund der Corona-Pandemie für so ziemlich jeden Menschen anders verlief als ursprünglich geplant – auch für Schandl. Rudertraining war zeitweise genauso wenig möglich wie Krafttraining. Er fand andere Möglichkeiten, um sich physisch weiterzuentwickeln. „Ich habe das Rennradfahren für mich entdeckt“, erzählt er. „Ich bin auch zuvor gelegentlich Fahrrad gefahren. Aber in der Lockdown-Zeit habe ich mir ein neues Fahrrad gegönnt und bin gemeinsam mit einem Freund lange Strecken über drei bis vier Stunden gefahren. Das hat mir körperlich viel gebracht. Außerdem hat es Spaß gemacht, das Ruhrgebiet neu kennenzulernen. Ich habe Gegenden entdeckt, die ich vorher gar nicht kannte.“

Sportlich schrammte er knapp an den eigenen Zielen vorbei. „Es war natürlich mein Wunsch, die U23 mit einer Medaille zu beenden. Leider hat das nicht ganz geklappt“, sagt er. Bei der U23-Europameisterschaft landete er im Vierer ohne Steuermann auf Platz 5. „Ich habe nicht ganz so performt wie erhofft.“

Dies soll sich zukünftig ändern. Wie einige andere Athleten auch, befand sich Schandl aufgrund der Verschiebung der Olympischen Sommerspiele ein Jahr in der Warteschleife. Doch diese Phase ist vorüber. „Ich will jetzt mein Bestes geben und meine Chance nutzen“, sagt er. Körperlich ist er topfit. Der Bauingenieurwesen-Student der TU Dortmund hatte den Sommer größtenteils durchtrainiert, um bei der Weltmeisterschaft in Shanghai anzutreten. Gemeinsam mit Wolf-Niclas Schröder, Max John, Theis Hagemeister, Benjamin Leibelt, Steuermann Jonas Wiesen und einigen U23-Sportlern hätte er im Achter gesessen. Es wäre für ihn der Höhepunkt der Saison gewesen.

Dass dieses Event letztlich abgesagt wurde, bezeichnet er als verständlich und enttäuschend zugleich. „Das war das einzige Quäntchen, auf das man sich freuen konnte.“ Sich allzu lange mit Rückschlägen aufzuhalten, ist für Schandl glücklicherweise aber keine Option.        

Oliver Jensen