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„Wir machen zu wenig aus unserem Geld“

Am kommenden Samstag, 27. November, erscheint die neue Ausgabe von rudersport. Lesen Sie vorab das Interview mit dem zurückgetretenen Cheftrainer Christian Felkel, der keine Chance sah, seine Reformpläne im Deutschen Ruderverband zu verwirklichen.

„Wir machen zu wenig aus unserem Geld“

Er kam vom britischen Ruderverband, um die Nachfolge des Leitenden Bundestrainers Ralf Holtmeyer anzutreten. Seit dem Frühjahr 2021 hat Christian Felkel die Strukturen des deutschen Hochleistungssports im Deutschen Ruderverband analysiert und sein Amt zum 1. September angetreten. rudersport-Chefredakteur Thomas Kosinski traf Felkel zum Gespräch, nur wenige Tage später sah der neue Cheftrainer die Mission, den Leistungssport auch nach dem Leistungsprinzip zu ordnen für sich als gescheitert an. Wir veröffentlichen hier seine wichtigsten Aussagen. Die Dezember-Ausgabe von rudersport mit dem vollständigen 6-seitigen Interview mit Christian Felkel können Sie hier vorbestellen.

Weitere Themen des Heftes:

  • Interview mit DRV-Vorsitzenden Moritz Petri zu Rudertag und Felkel Rücktritt.
  • Stau auf unseren Gewässern. Welche Verkehrsregeln gegen Standup-Paddler, Party- und Motorboote jetzt nötig sind.
  • Training Spezial: Jenseits von Olympia – mit neuen Wettkampf-Formaten zu mehr Mitgliedern und attraktiven Regatten.
  • Rudertag in Schweinfurt: Die Weichen für ein professionelles Hauptamt wurden gestellt.

                                                                                                        

Christian Felkel zur Struktur des Leistungssports: Es gibt keine Langlebigkeit und es fehlt an Vertrauen in das System. Wenn ich heute einem Athleten etwas verspreche, weiß er doch gar nicht, ob ich in zwei Jahren noch da bin. Ich selbst bin ja schon Nummer vier in der Reihe der leitenden Bundestrainer. Viele Ruderer haben mir gesagt: Ich bin jetzt im dritten Stützpunkt und beim vierten Trainer. Das gibt doch niemandem das Gefühl von Langfristigkeit.

  • Wenn ein Problem auftaucht, dann verschieben wir das Personal oder ändern den Trainingsort, aber wir lösen das Problem nicht. So kommen wir nicht weiter und so gewinnen wir auch keine Glaubwürdigkeit. Mir wäre lieb, wenn wir strategisch denken und planen würden. Wo ist die Stimme für den Hochleistungssport? Wo kann er darlegen, was gemacht werden müsste, um international beständig zu sein? Da sind wir auf einer schiefen Ebene.

Zum Fördersystem: In Deutschland wird auf Bundes- und auf regionaler Ebene viel Geld für den Hochleistungssport bereitgestellt. Aber die Koordination des Geldausgebens ist nicht gegeben, sie unterliegt völlig anderen Prinzipien und Regularien. Das Problem ist: das Geld wird nicht zielgerichtet für den Leistungssport ausgegeben.

  • Als Verband haben wir nicht die Möglichkeit, das Geld so auszugeben, wie wir es möchten, sondern wir können es nur so ausgeben, wie jemand anders es möchte. Die PotAS-Analyse hat ja sehr deutlich gezeigt, was schiefläuft: die Entscheidungsebenen sind zu schwach und unstrukturiert. Bei uns ist ja nicht einmal das Ziel klar.
  • Der Hochleistungssport sollte aus dem Verband ausgegliedert und unternehmerisch geführt werden. Dazu gehört, dass die finanziellen und strategischen Entscheidungen des Hochleistungssports auch von ihm getroffen werden. Der Verband setzt die Leitplanken und das operative Geschäft wird von der ausgegliederten Gesellschaft geführt und verantwortet.

Anforderungen an die Sportler: Zunächst brauchen wir mehr Ehrlichkeit. Ich glaube nicht, dass man studieren und dann auch noch gewinnen kann. Wenn Sie bei den Olympischen Spielen am Start stehen, dann stehen links und rechts neben dir Ruderer, die das gleiche wollen: nämlich gewinnen. Dann solltest du sicher sein, dass du alles dafür gegeben hast, dass die anderen dich nicht besiegen. Da geht es oft nur um hundertstel Sekunden.

  • Der Gedanke, dass du diese Vorbereitung gemütlich zu Hause erledigen und nebenbei noch studieren kannst, ist ein Irrtum. Das finden die Sportler dann heraus, wenn sie zu den Wettkämpfen fahren und die anderen dort gewinnen. Aber dann ist es zu spät, dann ist der olympische Traum vorbei. Die anderen Länder sind hier schon weiter.

Zum Thema Zentralisierung: Ganz nüchtern betrachtet müsste man alle Standorte in Ratzeburg zusammenführen. Dort lässt sich günstig wohnen und leben. In Großstädten ist das Leben teuer, das ist strategisch gesehen ungünstig. Wir machen zu wenig aus unserem Geld. Wenn wir unsere Ressourcen, die ja beschränkt sind, auf vier Standorte verteilen, müssen wir alles viermal ausgeben. Da ist es doch besser, das Geld nur einmal auszugeben.

  • Realistisch betrachtet sehe ich in Deutschland einen Stützpunkt für Frauen und einen für Männer, das sollten wir anstreben. In England gibt es einen Stützpunkt – und vor dem Tor steht eine lange Schlange von Ruderern, die dort hinein möchten und der Verband nennt die Kriterien, unter denen das möglich ist. Hier in Deutschland ist es umgekehrt: Die Schlange ist auf der anderen Seite des Tores und jeder will raus.
  • Wir in Deutschland sehen gar nicht die Möglichkeiten, die uns geboten werden, wenn wir zusammen rudern. Wenn ich nicht im Doppelvierer oder Vierer rudern kann, dann weiß ich gar nicht, wo meine Talente liegen. Vielleicht wäre ein Einerfahrer, der Dritter oder Vierter wird, Olympiasieger im Doppelzweier geworden. Aber weil er nicht zum Stützpunkt kommen will, nimmt er sich diese Chance und weiß es gar nicht. Das ist doch kein gutes Konzept, das kann man doch keinem Ruderer anbieten. Wir arbeiten doch für die Athleten, nicht gegen sie.

Zur Diskussion um Trainerentlassungen: Momentan wird viel über die Trainer gesprochen, die für vieles ihren Kopf hinhalten sollen. Dabei sind sie doch, wenn man es ehrlich sieht, nur ein Spiegel der sportpolitischen Diskussion. In Wahrheit geht es doch nicht um die Trainer, die ausführende Kräfte sind und ständig ausgewechselt werden. Die dahinter liegende Entscheidungsebene und der Weg der Entscheidungsfindung werden nicht hinterfragt.

  • Zwischen 2016 und heute haben 19 Trainerbewegungen stattgefunden. Keine Entlassungen, sondern die Trainer werden seitwärts bewegt, das heißt, sie wechseln die Stelle. Damit löst man aber keine Probleme. Die Trainer aber sind bei uns nicht die Entscheider, sondern Ausführende. Man kann jemanden entlassen, aber dann muss man auch klar sagen, warum und was genau schiefgelaufen ist.

 Thomas Kosinski

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