Neuigkeiten

Aktuelles zum Thema Rudersport.

Das Rudermuseum von Trakai

Trakai liegt in Litauen auf einer Halbinsel unweit der Hauptstadt Vilnius. Dort befindet sich nicht nur die international bekannte Regattastrecke, sondern auch ein Rudermuseum mit Hotel und Ruderclub.

Das Ruderhotel (Rowing Hotel) kombiniert mit Rudermuseum und Ruderverein steht beim westlichen Ortsausgang von Trakai in Richtung Vievis. Betritt man das Gelände und geht hinauf auf die Terrasse zwischen Clubhaus und Wohnhaus, so sieht man unter dem Glasdach hölzerne Ruderskiffs hängen. Betritt man das Clubhaus und Hotel, so sind in jedem der Räume des Erdgeschosses und in fast jedem Bereich des Souterrains Ruderutensilien aufgehängt, Vitrinen mit Pokalen, Büchern und Fotos ausgestattet, mit Plakaten dekoriert. Holzskulls mit schmalem Blatt, aber mit Medaillen an bunten Bändern behängt, zieren die Treppenaufgänge.

In der Nähe der Bar kann man Originale aus der amerikanischen Rudergeschichte bestaunen, wie beispielsweise das Steuer des Trinity College Achters aus dem Jahre 1939. Oder es sind Rollsitze mit Handsignatur der Mannschaften an der Wand platziert. Vom Foto lächelt Sir Redgrave gemeinsam mit der Museumsleiterin Rima den Besucher an. Sein Zweierpartner Mr. Pinsent lässt ebenfalls grüßen.

Den Treppenniedergang schmücken Fotos einer großen litauischen Ruderfamilie, zu der Rima Karaliene und ihre Schwester Rasa gehören. Ihr Vater Povilas Liutkaitis war Ruderer im Vierer mit Stm. der Sowjetunion und 1964 Olympiateilnehmer in Tokio. Im berühmten litauischen Zalgiris-Achter durfte er nicht starten, aber dieser Vierer bestand als seltene Ausnahme in der sowjetischen Zeit nur aus litauischen Ruderern: Celestinas Jucys, Algirdas Motejunas und Eugenijus Levickas (später jahrelang Verbandspräsident). Ihre Mutter und deren vier Schwestern ruderten im litauischen Frauenachter. Alle Söhne und Töchter dieser Ruderinnen und wiederum deren Kinder waren oder sind im Rudersport das Landes Litauen in irgendeiner Form aktiv. Die Ehemänner waren Ruderer und später zeitweilig Trainer. Rima sagt, dass sie bereits als Kind vom Rudervirus angesteckt wurde und es mit dieser „Krankheit“ bislang gut aushalten kann. Ihr Lebensmotto lautet: „Irklavimas-musu gyvenimas“ frei übersetzt: „Rudern ist unser Leben!“

Rima Liutkaityte (Mädchenname) war Leistungssportlerin und mehrfach Meisterruderin in der Sowjetunion. Den Rudervirus trug sie also schon lange in sich und es kam ihr als erwachsene Frau die Idee, ein Rudermuseum aufzubauen. Das sollte in Trakai stehen, in der litauischen Ruderhochburg und so ging sie mit ihrem Mann Aivaras und mit den inzwischen großen Kindern ans Werk. Jonas hatte ein Stipendium an einem College in den USA erhalten und dort gab es viele alte Rudersportartikel für ein Museum. In England suchte sie, in Hamburg ebenfalls und wurde überall fündig. Auch im Internet konnte sie alte Gegenstände aus der Geschichte der Ruderei finden. Vor einigen Jahren hat sie ihre mehrjährige Vizepräsidentschaft im Litauischen Ruderverband beendet, denn auch dort war sie engagiert.

Seit Jahren organisiert Rima ein großes Familienfest mit über dreißig Teilnehmern aller Jahrgänge – und dann wird selbstverständlich gerudert. Gerade hat sie nach intensiven Recherchen in den Archiven und natürlich mit Gesprächen der Zeitzeugen ein Buch über die Ruderei hinter dem eisernen Vorhang (in der Sowjetunion) publiziert, quasi eine Familiensaga, die mit ihrem Vater beginnt. Mehrere Sportler aus dem Tokio-Vierer, die auf Veranlassung des sowjetischen Cheftrainers nicht in den Achter durften, hatten eine KGB-Akte, weil ihre Eltern aufgefallen waren, nach Sibirien verschleppt worden waren oder Verwandtschaft im Westen hatten usw. Der Vater Povilas wurde jahrzehntelang als Agent verdächtigt und immer wieder zu Verhören zitiert. Es war ein komplizierter Weg, bis diese sportbegeisterten Männer überhaupt im Ausland starten durften. Das Buch ist mittlerweile in Englisch übersetzt worden.

Das relativ kleine Land Litauen mit nur einer Handvoll Ruderstützpunkten hat immer wieder eine Anzahl international erfolgreicher Rudersportler – Frauen und Männer – hervorgebracht. Der Skuller Mindaugas Griskonis war Europameister, gewann mit Saulius Ritter die Silbermedaille im Männer-Doppelzweier in Rio. Die Skullerinnen Milda Valciukaite und Donata Vistartaite schnappten sich die Bronzemedaille im Frauen-Doppelzweier in Rio. Der Männerdoppelvierer mit Aurimas Adomavicius, Rolandas Mascinskas, Martynas Dziaugys, Dovidas Nemeravicius holte sich 2012 den Sieg beim Worldcup I in Belgrad und beim Worldcup II in Luzern. In Rotterdam erruderte Eva Adomaviciute sich im Einer die Goldmedaille bei der U23 WM 2016.

Von vielen dieser Sportlerinnen und Sportlern hat Rima Karaliene die Medaillen in ihren Museumsvitrinen gesammelt, deren Trikots eingerahmt, signierte Fotos aufgehängt. Junge Sportler finden ihren Platz, aber auch Fotos älterer Sportler gibt es. Antanas Bagdonavicius lächelt den Betrachter an. Er war mit Zygmas Jukna Silbermedaillengewinner im Männer-Zweier mit Stm. 1960 in Rom und errang acht Jahre später als Achterruderer in Mexiko die Bronzemedaille. An der Wand haben sich die Schweizer Rudersportler per Unterschrift mit einem Poster verewigt, nachdem sie für die U23 WM 2012 hier ein Trainingslager absolviert hatten. Immer bei internationalen Meisterschaften ist die Mannschaft aus der Schweiz im Ruderhotel zu Gast, weil dafür der Schweizer Ruderfreund Werner Zwimpfert sorgt. Immer stehen in diesem Rudermuseum bemerkenswerte Artefakten neben aktuellen Siegeszeichen. Jede Menge Ruderlektüre aus vielen Ländern steht dem Gast zur Verfügung.

Im unteren Korridor regt eine Sammlung von Reklameseiten hauptsächlich aus den USA zum Staunen und Schmunzeln an. Sie verdeutlichen den Imagewert des Ruderns für die Werbung, wenn für große Automobile oder für Wertgegenstände wie Uhren geworben wird. Sportler entsteigen dem Ruderboot und signalisieren ihre Kraft, Mannschaftsleistung, Schönheit oder Ausdauer. Für Krawatten, für Trikotagen wird der Athlet als Werbeträger engagiert. Die berühmte Schokoladenfabrik Cadbury lässt im Hintergrund des Reklamebildes eine Regatta stattfinden. In der Konzentration wirken diese überwiegend aus den sechziger Jahren stammenden Druckseiten faszinierend auf den Betrachter. Eine ganz andere Rudergeschichte erzählen die Rudergeräte in Form von Ergometern und Kraftmaschinen im Keller. Ähnliche Uraltrudergeräte haben einst auf dem Passagierschiff „Titanic“ zur Verfügung gestanden wie ein Originalfoto belegt.

Aber es gibt natürlich in einem Ruderclub, der im Rudermuseum logiert, das zugleich Hotel ist, auch Boote und nicht nur Relikte aus vergangenen Zeiten. Modernere Boote für Rennen und Gigboote für Freizeitrudern stehen auf Stellagen hinter dem Clubhaus zur Verfügung und ebenfalls treppab am Seeufer auf Bootslagern. Weitere Boote des Vereins „Academia Remigum“ lagern direkt beim litauischen Ruderzentrum.

Im Rudermuseum und Ruderhotel sind Sportler des Vereins das ganze Jahr hindurch aktiv, weil es nebenbei auch Clubhaus ist. Im Winterhalbjahr veranstalten Rima und ihr Mann Aivaras dreimal einen internationalen Ergometerwettkampf um den „Academia Remigum“-Pokal. Übrigens ist dieser Name die Übersetzung von Ruderakademie und der passt sowohl zum Museum als auch zum Verein und zum Ruderhotel.              

Hans-Heinrich Busse

 

Infos Rowing Hotel

Das Rowing Hotel Trakai („Academia Remigum“) verfügt über fünf Doppel- bzw. Dreibettzimmer in stilvoller Einrichtung mit eigenem Bad. Eigenes Restaurant und Bar im Haus. Anreise nach Vilnius (Ryanair) und weiter mit der Bahn 25 km nach Trakai. Zimmerpreis ab 76 Euro.

Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Website: rowinghotel.lt