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Aktuelles zum Thema Rudersport.

Special Olympics World Games

„Die Spiele sind ein riesiges Geschenk“

Vom 17. bis zum 24. Juni 2023 finden in Berlin die Special Olympics World Games statt. Bei der weltweit größten inklusiven Sportveranstaltung in 24 Sportarten treten Tausende Sportler und Sportlerinnen mit geistiger und mehrfacher Behinderung miteinander im Wettkampf an - erstmals auch im Rudern. Axel Eimers, Vorsitzender des Arbeitskreises Inklusion und Mitglied des DRV-Präsidiums, ist mit den Vorbereitungen auf die Großveranstaltung betraut.

Was unterscheidet die Special Olympics von anderen Wettkämpfen im Behindertensport?

Bei den Special Olympics geht es nicht um den absoluten Leistungssport. Wir möchten dort den Sportlern mit geistigen Behinderungen die Möglichkeiten auf einen fairen und interessanten Wettbewerb bieten. Das ganze Setting unterscheidet sich deutlich von dem eines Wettkampfes im klassischen Sinne. Es stehen die Sportler und Sportlerinnen und ihre Erfahrungen im Vordergrund. Die Wettbewerbe sind so gestaltet, dass alle Sportler möglichst viele Rennen fahren. Die Besetzungen der Rennen erfolgten in der Regel durch die vor Ort erbrachten Leistungen. Allerdings fließen auch Leistungen aus dem Trainingsbetrieb mit ein, was für eine faire Aufteilung sorgt. Das erfordert zwar Vertrauen in alle Akteure, ermöglicht aber eine bessere Bewertung im Wettbewerbsverlauf. Aufregung und Unsicherheit im Rennen selbst können dadurch kompensiert werden. Soweit ich weiß, eine einzigartige Vorgehensweise, die deutlich werden lässt, dass das Wohlbefinden aller Beteiligten bei diesem Wettkampf im Vordergrund steht.

Welche Startklassen werden gefahren?

Die teilnehmenden Nationen können im Einer männlich, Einer weiblich, Doppelzweier Mixed und im Doppelzweier Unified (Menschen mit und ohne Behinderung fahren gemeinsam) antreten. Besonders der Unified-Zweier ist für die öffentliche Wahrnehmung interessant, spiegelt sich doch hier im Boot der Gedanke der Inklusion. Dieses Rennkonzept haben wir in enger Zusammenarbeit mit dem Organisationsgremium der Special Olympics zusammengestellt. Es ist ein Prototyp, wenn man so möchte.

Können interessierte Personen sich für eine Teilnahme bewerben?

Ja, natürlich, wir freuen uns darüber. Es besteht bereits die Möglichkeit, an den nationalen Spielen 2022 teilzunehmen. Der Aufbau der Mannschaften ist derzeit noch offen und ich kann alle, die Interesse an einer Beteiligung haben, nur dazu ermutigen, sich mit mir oder meinen Kollegen und Kolleginnen in Verbindung zu setzen.

Wie sich das Para-Rudern in Deutschland in den letzten 40 Jahren generell entwickelt?

Aus der Sicht des DRV würde ich es als ein Langstreckenrennen beschreiben. Meiner Meinung nach befinden wir uns derzeit irgendwo auf dem ersten Streckendrittel. Nach den anfänglichen Bemühungen in den 80er und 90er Jahren gab es eine Zeit der Stagnation, zumindest auf nationaler Ebene, die dann ab 2008 wieder mehr Schwung bekam. Aus Sicht der Vereine gab es allerdings immer wieder tolle Beispiele, in denen sich Personen stark im Para-Rudern engagiert haben. Da hätten wir als Verband uns sicherlich noch stärker einbringen können. Umso wichtiger ist es uns jetzt, alle Möglichkeiten aufzugreifen, die sich uns bieten, um das Thema Para im Verband und darüber hinaus zu stärken. Ein Beispiel, das ich an dieser Stelle gerne anführe, ist das Kompetenzzentrum „Rudern mit Behinderung“, das aus der Kraft des Rüdersdorfer Rudervereins Kalkberge e.V. gemeinsam mit dem Ruderverband gegründet wurde. Es verdeutlicht, wie ernst das Anliegen Para-Rudern unseren Mitgliedern ist. Der Verband hat 2019 darauf reagiert und eineinhalb Stellen im Leistungssport geschaffen. Dies ist definitiv ein guter Schritt, aber sicherlich noch nicht das Ende der Reise.

Wie könnte der DRV sein Engagement noch erhöhen?

Eine große Herausforderung ist, den Vereinen die Angst vor der „Aufgabe Para-Rudern“ zu nehmen. Diese Grundskepsis ist nachvollziehbar, wirft uns in unserem Vorhaben aber deutlich zurück. An dieser Stelle besteht von unserer Seite deutlicher Nachholbedarf und ich wäre froh, wenn wir als Verband das schon genügend vermittelt hätten. Denn die große Mehrheit der Vereine, die sich bereits mit Para Sportlern beschäftigen, gibt uns deutlich positives Feedback. Zum anderen sehe ich beim Nachwuchssport deutlichen Nachholbedarf. Die Grundgesamtheit aller potenziell in Frage kommender Personen ist im gesamtgesellschaftlichen Vergleich gering. Daher muss unsere Nachwuchsarbeit besonders effizient sein, um die wenigen möglichen Kandidaten zu finden und zu begeistern. Genau zu diesem Zwecke haben wir ein monatlich stattfindendes online Seminar ins Leben gerufen, zu dem alle Interessierten herzlich eingeladen sind. Es werden dort alle Themen rund um das Para-Rudern und den Para-Sport besprochen.

Wie ist der Ruderverband dazu gekommen, sich für eine Teilnahme zu bewerben?

Zu Beginn wurde der Ruderverband über Lutz Bühnert aus unserem Arbeitskreis über die Suche nach Demosportarten informiert. Dann ging alles sehr schnell. Sobald wir von der wunderbaren Möglichkeit erfuhren, uns in diese Richtung weiter zu entwickeln, haben wir unter anderem durch die Hilfe von DRV- Generalsekretär Jens Hundertmark eine Bewerbung formuliert und uns über die Wettkämpfe Gedanken gemacht. Man könnte also sagen, es hat sich uns eine spontane Chance geboten, die wir ergriffen haben. Zu unserer Freude erhielten wir dann auch den Zuschlag.

Was war Ihre erste Reaktion, als sie von der Zusage erfahren haben?

Ganz ehrlich? Ich saß im Büro, habe die Faust in Boris-Becker-Manier geballt und laut „Jawoll“ gerufen. Daraufhin kam eine Mitarbeiterin herein und fragte, was denn passiert sei. In dem Moment ist mir erst richtig klar geworden, wie weit wir es in dieser kurzen Zeit mit unserem Anliegen gebracht haben und wie viel Arbeit noch auf uns zukommt. Wir verstehen das Projekt Special Olympics World Games als riesiges Geschenk, dass uns zur richtigen Zeit gemacht wurde. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass es die derzeitigen Entwicklungen im Para Rudern katalysieren wird.

Was bedeutet das Para-Rudern für Sie persönlich?

Meiner Meinung nach sind Para Sportler mit gesunden Sportlern gleichzustellen. Sie haben dieselben Wünsche und Bedürfnisse wie andere Sporttreibende auch. Für mich ist es ein Betätigungsfeld, in dem ich zum einen sehr viel über mich selbst erfahren durfte und zum anderen mit vielen tollen Menschen in Kontakt gekommen bin. Die Diversität ist unglaublich: im Bereich des Para-Ruderns gibt es verglichen mit dem olympischen Rudern eine deutlich andere Mentalität, die nicht nur im Umgang der Sportler und Sportlerinnen untereinander deutlich wird, sondern auch in Bezug auf die Organisation deutlich zutage tritt. Der Leistungsgedanke ist nicht die oberste Maxime, dafür stehen das Miteinander und der Respekt gegenüber anderen im Vordergrund. Für mich ist das ein Umfeld, in dem man sich auf Anhieb wohlfühlen kann.

Welche Auswirkungen hat die Teilnahme bei den SOWG ´23 für den Rudersport in Deutschland?

Die Teilnahme an den Special Olympics ist für den DRV eine enorme Chance, sich auf einer Großveranstaltung zu präsentieren. In diesem Sinne möchten wir in Deutschland bis dahin ein adäquates System für eine erfolgreiche Teilnahme aufbauen und festigen. Die mediale Aufmerksamkeit wie die Special Olympics World Games ist mit wenig anderen Ereignissen zu vergleichen. In der Welt des Para-Sports ist diese Veranstaltung eines der Highlights. Ganz speziell hoffen wir, die Aufmerksamkeit und die Euphorie, die durch so ein Ereignis ausgelöst wird, in die Vereine und Köpfe der Menschen zu transportieren, um Ruderdeutschland etwas empfänglicher für das Para-Rudern zu machen und dies langfristig in den Vereinen zu etablieren.

Das Gespräch führte Moritz Gabriel