Regatta & Wettkampf

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WM Belgrad 2023:

Sechs Boote in Paris aber die Nachqualifikation lässt grüßen!

 

Die WM 2023 in Serbien war die erste und beste Möglichkeit, sich für Paris 2023 zu qualifizieren. Entsprechend groß waren die Meldefelder, die Konkurrenz im Rennen um die begehrtesten Rollsitze war wie immer hart. Zu Recht, denn die meisten Plätze werden hier vergeben. In den 14 olympischen Bootsklassen dürfen bei den Männern und Frauen insgesamt je 99 Boote an den Start gehen, 114 der insgesamt 198 Boote qualifizieren sich bei der WM.

Weitere 36 Einer und 14 leichte Doppelzweier können sich in den vier kontinentalen Wettbewerben 2024 noch das Ticket sichern, für alle anderen Boote bleiben für die finale Qualifikationsregatta 2024 noch 28 Plätze, also zwei pro Bootsklasse, übrig. Um dieses dicke Brett nicht bohren zu müssen, sollte man also besser in Serbien bereits Besitzer einer Qualifikation geworden sein.

Leider funktioniert das nur unter den folgenden Bedingungen: Im Einer geht es um die ersten 9 Boote, in den (Doppel-)Zweiern sollte man das B-Finale nicht verlieren, also mindestens den 11. Platz belegen, außer bei den Leichtgewichten, in denen es wie bei den (Doppel-)Vierern schon der Sieg im B-Finale sein muss. Im Achter ist schon das letzte Boot aus dem A-Finale reif für die Nachqualifikation, denn es dürfen lediglich 7 Achter bei einer olympischen Regatta starten.

Olympische Bootsklassen

Am ersten Tag ging es noch gut los; alle gestarteten DRV-Boote erreichten die Viertelfinals. Leider konnten die deutschen Athleten weiterhin in vielen Bootsklassen diese Erwartungen nicht erfüllen. Das C-Finale war in diesem Fall die Endstation. Leichtgewichts-Männer-Einer, beide Zweier ohne, Männer-Vierer, Frauen-Doppelzweier und der leichte Frauen-Doppelzweier landeten abseits der Qualifizierungsmöglichkeit, fünf olympische Bootsklassen hatte man sich also bereits nach den Vorentscheidungen, Hoffnungsläufen und Halbfinals verspielt. Nun hingen alle Hoffnungen an den B- und A-Finalisten – bis auf den Frauen-Achter, denn hier konnte man im B-Finale keinen Quotenplatz mehr holen, und auf den letzten 450 Metern mussten die deutschen Damen nach langer, knapper Führung die Chinesinnen vorbeiziehen lassen.

Samstag

Erstes Boot in dieser Kategorie war der leichte Männer-Doppelzweier. In ihrem B-Finale kamen Paul Leerkamp und Jonathan Rommelmann, die im Halbfinale durch eine Kenterung aus dem Rennen geworfen worden waren, zunächst gut vom Start weg, lagen auf einer Höhe mit den Führenden, Mexico und China. Zur Streckenhälfte kurbelten sich dann die Mexikaner nach vorne und holten sich mit ihrem Sieg die letzte Karte für Paris in dieser Bootsklasse. Das deutsche Duo fiel durch einen starken Endspurt der Belgier und Neuseeländer noch auf Rang 4 zurück.

Gleich im folgenden Rennen ging es für den Frauen-Vierer auch um Platz 1, allerdings von der Außenbahn aus nicht in der Favoritenrolle. Die Mannschaft mit Sophie Leupold, Lena Osterkamp, Melanie Göldner und Luisa Schade lag bereits bei der 500-Meter-Marke am Schluss des Feldes, bei 1.000 m war es eine Länge, während gleichzeitig die Neuseeländerinnen die Konkurrenz mit zwei Längen Vorsprung deklassierten. Trotz eines mörderischen Endspurts der Däninnen blieben sie bis ins Ziel vorne, das Team von Trainer Sven Ueck überholte auf der Ziellinie Polen – Rang 5.

Beim Frauen-Doppelvierer wurde es gar historisch, denn zum ersten Mal würde hier einem deutschen Boot keine direkte Olympia-Qualifikation gelingen, wenn es nicht gewinnen sollte. Sarah Wibberenz, Frauke Hundeling und Schlagfrau Tabea Schendekehl hatten gar noch den krankheitsbedingten Ausfall von Pia Greiten zu verkraften, die durch Lisa Gutfleisch ersetzt wurde. Zusammen mit den Kanadierinnen fuhr das deutsche Boot trotzdem gleich beherzt los, an der Streckenhälfte führten sie mit fast einer halben Länge. Und sie konnten noch schneller. Fast eine Länge an der Dreiviertelmarke, dann ging es in den Endspurt. Und trotz eines fulminanten Spurts der Ukraine holten die deutschen Damen den so wichtigen Sieg. „Heute haben wir einfach noch einmal richtig einen rausgehauen“, jubelt die überglückliche Tabea Schendekehl im Ziel. „Es lief alles nach Plan.“ Und zum Thema Ersatzfrau: „Wir sind schon im Training mit Lisa gefahren. Natürlich wären wir auch gern mit Pia ins Rennen gegangen. Aber wir wussten daher, dass wir es auch mit Lisa schaffen können.“

Den Schlusspunkt im letzten Samstagsrennen setzten die Männer im Doppelvierer. Anton Finger, Max Appel, Tim Ole Naske und Moritz Wolf hatten sich bereits durch ihren Finaleinzug die Last der Qualifikation von den Schultern genommen, nun konnte die Mannschaft die Reise zum WM-Podest unbeschwerter antreten. Sie hatten im Hoffnungslauf die zweitschnellste Zeit der Bootsklassen in Belgrad gehabt, nach einem dritten Platz im Halbfinale ging es auf der Innenbahn vor der Tribüne für sie los. Titelverteidiger Polen setzte mit einem Luftkasten nach vorne, dahinter lagen innerhalb eines weiteren Luftkastens bei 500 m drei weitere Boote. Auf der zweiten Hälfte packten die Niederländer aus und holten mit einer Länge Gold vor Italien und Polen. Das deutsche Boot wurde im Zielsprint noch von der Schweiz überholt und landete auf dem 6. Platz.

„Wir warten mal noch auf morgen“, grübelte Bundestrainerin Brigitte Bielig nach den Samstagsrennen, sie war aber noch optimistisch. „Wir haben uns 6 Quotenplätze zum Ziel gesetzt, davon haben wir bereits die Hälfte sicher erreicht, jetzt muss der Sonntag den Rest bringen.“

Sonntag

Und dieser Sonntag sah dann als erstes Rennen mit Qualifikationsmöglichkeit für ein deutsches Boot den Frauen-Einer mit Alexandra Föster, die in ihrem B-Finale mit Aurelia Janzen aus der Schweiz und der Österreicherin Magdalena Lobnig noch zwei weitere starke Ruderinnen aus dem deutschsprachigen Raum als Begleiterinnen hatte. Drei Plätze für Paris waren im Einer noch zu haben und die Damen legten los wie die Feuerwehr. Vor allem die Lokalmatadorin Jovana Arsic, die sich an den zunächst führenden Booten von Lobnig und Janzen nach 1.000 m vorbeigekämpft hatte. Föster blieb auf dem vierten Platz dahinter. Bei 1.500 m zündete sie die Rakete und schob sich an Janzen vorbei; die Serbin konnte das Tempo nicht mehr halten und rettete sich immerhin noch auf Platz 3. Hinter Lobnig erreichte Föster den 2. Rang und damit die Tickets für Paris.

Es folgte direkt der Auftritt des Männer-Doppelzweiers. Im Halbfinale waren Jonas Gelse und Marc Weber hinter Spanien und Neuseeland Fünfte geworden, nun ging es darum, in diesem B-Finale nicht den letzten Platz zu belegen. Die beiden hielten sich zusammen mit Rumänien, Norwegen und Frankreich immer vorne und belegten nach spannendem Sprint über die Linie knapp den zweiten Platz hinter den Rumänen und vor den Norwegern – Ziel erreicht.

Der vorletzte deutsche Auftritt war der von Oliver Zeidler, der auch erwartungsgemäß gleich von Angang an mit mehr als einer Länge in Führung ging. Die ihn jagenden Boote, den Niederländer van Dorp und dem Neuseeländer Mackintosh, ließ er gar nicht erst wieder in seine Nähe, jeden Angriffsversuch konterte er bereits im Ansatz und behielt die Nerven, als kurz vor dem Ziel der Holländer noch einmal heranflog. Eine mehr als souveräne Siegfahrt des seit 2019 amtierenden Weltmeisters zum dritten WM-Gold seiner Karriere und der einzigen deutschen Goldmedaille und Medaille in den olympischen Bootsklassen. Nach seinem Sieg war er zunächst einmal total verausgabt, nach der Siegerehrung freute er sich aber riesig:

Nach seinem Ausflug in den Hoffnungslauf startete der Achter von der Außenbahn. Benedict Eggeling, Jasper Angl, Max John, Torben Johannesen, Olaf Roggensack, Marc Kammann, Wolf-Niclas Schroeder und Mattes Schönherr gingen unter dem Kommando von Jonas Wiesen zusammen mit Großbritannien und den USA über die erste Zwischenzeit – mit weniger als einem Zehntel zwischen den Booten. In einem Feld, das bis zur 1.500-Meter-Marke um weniger als eine Länge auseinanderlag, entschied der Endspurt über die Medaillen. Gold für Großbritannien, Silber für die Niederlande und Bronze für Australien, das deutsche Boot an vierter Stelle und damit auch noch qualifiziert.
„Es war das beste Rennen in dieser Saison“, lobt Sabine Tschäge ihre Crew direkt nach dem Rennen. „Wir wollten das Rennen offensiv angehen und dann standhalten, wenn die Briten im Mittelteil richtig losgehen, dass wir uns davon nicht irritieren lassen. Und das haben sie ja richtig gut gemacht.“ Sie sehe, dass Anschluss an die anderen Boote wieder bestehe und will das Jahr nutzen, um „nach vorne auch wieder richtig ranzugehen“. Auch unter dem großen Druck, die Qualifikation zu verpassen, habe die Mannschaft standgehalten. „Dafür Hut ab!“, sagt die Bundestrainerin.

Para-Team korrigiert Bilanz deutlich

Die Sportler auf dem Weg zu den Paralympics hatten in Serbien deutlich mehr Erfolg als die olympische Mannschaft. Sie waren auch die schnellsten bei der Qualifikation, denn für den PR3-Mixed-Vierer mit Susanne Lackner, Jan Helmich, Marc Lembeck, Kathrin Marchand und Steuerfrau Inga Thöne war schon nach dem Vorlaufsieg die Reise nach Paris gebucht. Am Finalsamstag setzten sie auf diese Leistung noch die Krone. Es ging wie im Vorjahr im Finale gegen das Boot aus Großbritannien, das im Gegensatz zu den Deutschen an der Position 2 und bei der Steuerfrau umbesetzt worden war. Und auch das Team der USA kam gut ins Rennen, lag mit dem englischen einen Luftkasten vor dem Boot des DRV. Über die Distanz gingen die beiden Führenden auf letztendlich 3 Längen davon und holten sich Gold (GBR) und Silber (USA). Die fünf Deutschen konnten sich aber die Franzosen vom Leib halten und fahren nach Silber im letzten Jahr diesmal mit den Bronzemedaillen heim.

Beide PR1-Einer konnten sich ebenfalls ins Finale schieben. Marcus Klempner und Manuela Diening werden somit auch um Edelmetall in Frankreich kämpfen. In den Finals in Belgrad startete am Sonntag zuerst der Rostocker, der sich allerdings schon frühzeitig auf dem 5. Platz einsortierte. Die auf Hälfte des Kurses vorhandenen 5 Sekunden Rückstand konnte er bis zum Ziel noch in 2 Sekunden Vorsprung vor dem Israeli Daniel umwandeln – Rang 4.
Im Frauen-Rennen war es die Titelverteidigerin Birgit Skarstein, die wieder in ihrer eigenen Liga unterwegs war. Die Ukraine, Frankreich und Israel kümmerten sich dahinter um die weiteren Platzierungen auf dem Podium, Manuela Diening konnte dieses hohe Tempo nicht mitgehen und landete 50 Meter hinter dem Feld auf der 5. Position. Für beide bleibt es aber natürlich bei der Qualifikation zur olympischen Regatta, die Medaillen blieben aus.

Bereits am Freitag hatten Valentin Luz und seine Partnerin Hermine Krumbein im PR3-Mixed-Doppelzweier zwar nicht für eine Medaille, aber für das paralympische Ticket gesorgt. Die beiden waren im Hoffnungslauf auf der Ziellinie nur knapp von den Brasilianern geschlagen worden, die sie im Finale in den Griff bekamen. Mit 10 Sekunden Vorsprung reichte es auch auf dem fünften Platz noch für die Frankreich-Reise im nächsten Sommer.

Die nichtolympischen Para-Boote hatten noch eine Medaille zu bieten, und zwar in Person von Paul Umbach. Eigentlich für einen Start mit Sylvia Pille-Steppat im Miexed-Zweier geplant, musste er kurzfristig seine Pläne umstellen, als sie kurz vor der WM krankheitsbedingt absagte. Kurzerhand stieg er in den PR2-Einer, in dem er in 2022 Racice bereits Bronze gewinnen konnte. Und ob am 23. September 2022 oder am 8. September 2023 – das Podest war identisch. Nach einem schwachen Start und einem Duell mit dem Spanier auf der Strecke gewann Umbach erneut Bronze hinter den Niederlanden und Italien.

Vier Meldungen in fünf paralympischen Bootsklassen, in allen die Quotenplätze eigesammelt, dazu zwei Medaillen – das ist eine ordentliche Bilanz. Die Para-Abteilung hat Ehre eingelegt und die Position Deutschlands im Medaillenspiegel der 10 Tage von Belgrad noch einmal angehoben.

Nichtolympische Bootsklassen

Auch diejenigen, die nicht zu den Spielen reisen dürfen, hatten WM und konnten sich über Medaillen freuen. Silber gab es am ersten Finaltag für den leichten Zweier ohne der Damen mit Eva Hohoff und Luise Münch. Die beiden lagen bis zur Streckenhälfte noch hinter den Amerikanerinnen auf Rang 3 – was in dem Fall keine Medaille gegeben hätte, denn man muss ein Boot schlagen, um eine Medaille zu gewinnen – nutzten aber die zweite Hälfte des Rennens zum Überholen und schoben sich aufs Podest.

Bei den Männern richtete es wie im Vorjahr der leichte Doppelvierer. 2022 war es noch die Bronzemedaille im Zielsprint gegen China gewesen; hier hatten die Chinesen mit zwei Zehntelsekunden den Bugball vorne. Diesmal ging es leicht umbesetzt auf die Reise: In den Bug von Simon Klüter, Fabio Kress und Joachim Agne war statt Johannes Ursprung Max von Bülow eingestiegen, und die vier ruderten wie der Zweier gegen die USA um die Silbermedaille, denn auch in diesem rennen gab es nur drei Boote. Das deutsche Boot hatte das amerikanische aber über die gesamte Strecke gut im Griff, allerdings auch keine Chance gegen die starken Italiener. Silber war der Lohn der Mühe und komplettiert die Medaillensammlung von Joachim Agne: 2018 Gold, 2022 Bronze, und nun ist der Platz dazwischen auch gefüllt.

Wie geht es weiter?

Nach einer WM, bei der es in den olympischen Bootsklassen eine von insgesamt fünf Medaillen gegeben hat, muss man sich natürlich die Frage stellen, wie man den Absturz des deutschen Ruderns noch aufhalten kann. Nach der WM ist hier vor der Nachqualifikation, und die geht fast nur noch über die Regatta in Luzern 2024. Lediglich die leichten Doppelzweier können bei der europäischen Qualifikationsregatta noch punkten, die Einer sind ja bereits beide gesichert.

Mit den Worten des Vorsitzenden (siehe Interview): Das Minimalziel ist erreicht. Nun muss die deutsche Equipe jedoch weiter dafür sorgen, nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Im Vergleich zu Tokio keinen Platz zu verlieren, darf nicht der Ansporn sein. Sicher ist es schwierig angesichts der aktuellen Lage, vor allem auch der Unterstützung durch den Staat, in Deutschland hochkarätigen Amateursport zu betreiben. Aber es gibt auch hausgemachte Probleme, derer man sich nun bewusst werden muss, um sie abzustellen. Auch wenn das mit Veränderungen gewohnter Strukturen, Umstellungen bei Leistungsstützpunkten oder personellen Veränderungen einhergeht: Wer nicht mit der zeit geht, geht mit der Zeit. Belgrad hat gezeigt, dass es nicht „5 vor 12“ ist, sondern eher schon „halb Eins“.

Gerade für die Sportler, die nun in den C-Finals gelandet sind, muss es bis zur Nachqualifikation wieder ein großes Stück aufwärts gehen. Das wird – wenn es überhaupt zu schaffen ist – harte Arbeit. Die aber sofort und ohne große Diskussion zu tun ist, damit das Licht am Ende des Belgrader Tunnels nicht der entgegenkommende Zug wird.

Michael Hein

 

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