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Aktuelles zum Thema Rudersport.

„Rudersport ist nicht frei von Rassismus“

Die 2013 entstandene soziale Bewegung Black Lives Matter hat nach dem gewaltsamen Tod George Floyds unter Beteiligung eines Polizisten durch große Demonstration auch in Deutschland die Debatte über strukturellen und offenen Rassismus neu entfacht. Eine Teilnehmerin der Demonstration von Black Lives Matter in ihrem derzeitigen Wohnort Berlin war Carlotta Nwajide.Die 25-Jährige ist Ruderin im Deutschen Ruder-Club v. 1884 Hannover, Teil der niedersächsischen Mannschaft des Jahres 2018, Europameisterin 2019 und derzeit mit dem Doppelvierer der Rudernationalmannschaft in der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Tokio im nächsten Jahr.

Carlotta, was hat Dich bewogen, an der Demonstration von Black Lives Matter in Berlin teilzunehmen?

Ich erfahre Alltagsrassismus seit ich denken kann. Leider hatte ich in meinem Umfeld nie wirklich das Gefühl, eine Plattform zu haben, um mich und das Erlebte auszudrücken. Seit ich mich intensiver mit rassismuskritischer Literatur auseinandergesetzt habe, fällt es mir leichter, meine Erfahrungen in Worte zu fassen. Ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass auch der Mainstream zuhört. Als Schwarze Frau in Deutschland und auf der Welt möchte ich einfach die gleichen Möglichkeiten haben und gleich behandelt werden wie weiße Menschen. Deshalb gehe ich auf die Black Lives Matter Demonstrationen, auch um mich für Menschen stark zu machen, die noch mehr von Rassismus betroffen sind als ich, weil ihre Haut dunkler ist als meine.

Gut an Black Lives Matter finde ich außerdem, dass es eine intersektionale Bewegung ist. Das heißt, sie steht für Menschen, die neben Rassismus von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind, zum Beispiel aufgrund ihrer sexuellen Identität, ihrer sozialen Herkunft, ihrer Religionszugehörigkeit, ihrem Körpergewicht, ihres Alters oder ihrer Behinderung.

Hast Du selbst rassistische Diskriminierung in deiner Sportkarriere erlebt?

Natürlich ist auch der Rudersport nicht frei davon. Auf einer Deutschen Meisterschaft ist mir berichtet worden, dass ein Trainer bei einem Sieg von mir gesagt hat, dass er gar nicht wusste, dass N……* auch rudern könnten. Genauso wurde mir einmal erklärt, dass ich einen Vorteil bei meiner sportlichen Leistungsfähigkeit habe, weil ich Schwarz sei. Viel zu häufig passiert es in diesen Situation, wenn ich entgegne, dass dies rassistisch war, dass meine Reaktion als Emotion abgestempelt wird und dass es gar nicht so gemeint gewesen sei. Mir wird die Beurteilung, was rassistisch ist und was nicht, also gar nicht zugestanden.

*Auf Wunsch der Interviewten wird das diskriminierende Originalzitat nicht verwendet.

Kannst Du den Rassismus in unserer Gesellschaft und im Sport beschreiben?

Rassismus gibt es bei uns in verschiedenen Dimensionen. Es gibt offenen und strukturellen Rassismus. Offener Rassismus geht von einzelnen Menschen aus, zum Beispiel von Rechten und wird von großen Teilen unserer Gesellschaft geächtet. Struktureller Rassismus dagegen ist tief in unserer Gesellschaft verankert und mit sozialen Institutionen verflochten. Struktureller Rassismus äußert sich zum Beispiel darin, dass Menschen, die keine weiße Hautfarbe haben, als fremd angesehen werden, Nachteile bei der Wohnungssuche haben und häufiger von Polizeigewalt betroffen sind. Struktureller Rassismus ist übrigens auch ein großes Problem in Kindergärten und Schulen. Diese Form von Rassismus wird zu wenig anerkannt und meistens heruntergespielt. Natürlich ist auch der Sport als Teil unserer Gesellschaft nicht frei davon.

Was wünschst Du Dir von Deinem Umfeld, vor allem im Sportkontext?

Ich wünsche mir, dass struktureller Rassismus anerkannt wird und es mehr rassismuskritische Arbeit in den Sportverbänden gibt. Interkulturelle Trainings sind wichtig, reichen jedoch nicht aus, da die Teilnehmenden sich dort nicht mit dem eigenen Rassismus auseinandersetzen. Ohne diese Auseinandersetzung wird dieser immer wieder reproduziert und Sportvereine bleiben unattraktiv für Schwarze Menschen und People of Color. Dazu braucht es neben der Positionierung von Vereinen und Verbänden gegen Rassismus mehr Vielfalt in den Vorständen.

Was rätst Du Sportlerinnen und Sportlern, die nicht von Rassismus betroffen sind und die etwas gegen Formen des Rassismus tun möchten?

Im ersten Schritt sollte sich jeder und jede mit dem eigenen Rassismus beschäftigen und einen kritischen Umgang damit erlernen. Außerdem sollten alle entschieden und aktiv gegen rassistische Vorfälle einschreiten, auch wenn keine Betroffenen anwesend sind, z.B. wenn sich eine Person rassistisch in der Umkleide oder beim Mittagessen äußert. Die Solidarität von weißen Menschen ist sehr wichtig und hilft ungemein bei der Überwindung des Status Quo. Deshalb ist die Teilnahme von weißen Menschen an den Black Lives Matter Demonstrationen auch so erfreulich, da habe ich wirklich, dass Gefühl von Unterstützung gehabt.

LSB-Magazin (Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des LandesSportBund Niedersachsen)